Spätestens wenn das neue Jahr beginnt, setzen sich viele Menschen wieder Ziele. Sie entwerfen neue oder kramen die eines vergangenen Jahres wieder aus der Schublade, top-motiviert, sie dieses Jahr wirklich zu erreichen. Aber was macht ein gutes Ziel eigentlich aus? Was unterscheidet Ziele, die wirklich erreichbar sind, von denen, die wenige Wochen nach dem Jahreswechsel wieder ad acta gelegt werden?
Es gibt mittlerweile zig verschiedene Ansätze und Formeln, nach denen Ziele formuliert werden können. Die bekannteste unter ihnen ist wahrscheinlich SMART, die ich persönlich vor allem aus dem Berufskontext kenne. Und ja, die kann durchaus sehr hilfreich sein. Für persönlichere oder größere Lebensziele finde ich sie aber nur bedingt geeignet. Wir können also schon mal festhalten:
Wie du dein Ziel am besten formulierst, hängt von Art und Kontext deines Zieles ab.
Ziele setzen mit der SMART-Formel
Die Abkürzung “SMART” steht für die fünf Kriterien, die eine Zielformulierung gemäß dieser Formel erfüllen sollte:
Spezifisch
Das, was du erreichen möchtest, sollte so genau wie möglich formuliert werden. “Gesünder essen.”, wäre demnach viel zu ungenau. Was bedeutet “gesünder”? Wie würde sich deine neue Essgewohnheit in deinem Alltag bemerkbar machen? Was brauchst du dafür? Das sind nur einige Fragen, die dir helfen können, dein Ziel spezifischer zu formulieren. Ein spezifisches Ziel wäre zum Beispiel: “Ich esse jeden Tag drei Portionen Obst und Gemüse.”
Messbar
Die Messbarkeit deines Zieles ist vor allem für die Erfolgskontrolle wichtig. Die drei Portionen aus unserem Beispiel könnten da noch zu ungenau sein. Wieviel sind drei Portionen? Du kannst sie entweder selbst definieren (z.B. eine Schale rohes bzw. eine halbe Schale gekochtes Obst oder Gemüse) oder die Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften recherchieren. Auch die Festlegung eines Zeitraumes oder -punktes trägt zur Messbarkeit deines Zieles bei (z.B. “jeden Tag”).
Attraktiv
Wenn du dein Ziel nicht richtig, richtig gut findest, wirst du es nicht durchziehen. Punkt. Es sollte deshalb einen hohen Wert für dich haben, z.B. weil du damit ein angenehmes Gefühl verbindest, es dir hilft, etwas zu erreichen oder es auf sonst eine andere Art für dich wichtig ist. Kurz: Du musst wissen, WARUM du das alles machst.
Realistisch
Klar, große Träume sind gut und wichtig. Dennoch dürfen Ziele nicht unrealistisch sein. Schau dir deine aktuellen Kapazitäten an und dann überlege dir (bei langfristigen Zielen), wie sie sich im Laufe der Zeit noch verändern können. Stehen irgendwann große Veränderungen an, die die Arbeit an deinem Ziel beeinflussen können? Beziehe das in deine Überlegungen mit ein.
Terminiert
Mit einem Enddatum, an dem du das Ziel erreicht haben willst, setzt du dir selbst eine Deadline. Das ist im beruflichen Kontext bei den meisten Zielen Gang und Gäbe.
SMART eignet sich also besonders gut für unternehmerische oder andere Ziele, bei denen es ein ganz bestimmtes, messbares Ergebnis gibt. Aber was ist mit persönlichen, abstrakteren Zielen, bei denen sich das gewünschte Outcome sogar mit der Zeit ändern kann? Und was, wenn es sich dabei um ein Gefühl handelt? Die sind ja bekanntermaßen eher schwer messbar.
Das ist der Punkt, an dem SMART meiner Meinung nach nicht mehr so smart ist.
Deswegen verfolge ich für persönliche Ziele, wie Neujahrsvorsätze, einen etwas anderen Ansatz und nutze Formeln nur als grobe Orientierung.
Ziele setzen nach deinen eigenen Regeln: Was willst DU eigentlich?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass allzu spezifische, messbare und terminierte Ziele im persönlichen Bereich oft nicht so sinnvoll sind – einfach weil sie nicht im geschützten Rahmen einer Firma, sondern mitten in den Turbulenzen des Lebens umgesetzt werden wollen.
Und da ist es ratsam, den Blick erstmal nach innen zu richten und dich zu fragen: “Was zur Hölle will ich eigentlich?”
Oft ist es nämlich so, dass unsere Ziele gar nicht unsere eigenen sind. Wir haben sie bloß irgendwo aufgeschnappt – meistens in der fantastischen, unrealistischen Glitzerwelt von Social Media, in der alle ein tolles Haus, einen straffen Körper, die ultimative Morgenroutine, den/die perfekte Partner*in haben und sich allzeit bester Gesundheit und Fitness erfreuen.
Wenn du dir also deine Liste an Zielen und Wünschen anschaust, lauten meine Fragen an dich:
Was davon ist wirklich deins? Und:
Wie glaubst du, wirst du dich fühlen, wenn du dieses Ziel erreicht hast?
An die zweite Frage werden wir später noch anknüpfen. Mach dir aber bitte in jedem Fall bewusst, dass ein Lebensstil, der für eine andere Person gut funktioniert, nicht automatisch auch für dich geeignet sein muss. Hier können wir uns durchaus vom SMART-R inspirieren lassen: Schau, was für dich und deine Lebensumstände wirklich realistisch ist und beziehe dabei ruhig bereits gemachte Erfahrungen mit ein.
Mein bester Freund, der Schwamm: Persönliche Ziele dürfen unspezifisch sein
Ja, richtig gelesen: Du darfst deine Ziele ruhig schwammig formulieren. In vielen Fällen empfehle ich es sogar. Warum, schauen wir uns mal an einem Beispiel an:
Nehmen wir an, du hast meinen Rat mit der realistischen Einschätzung deiner Ziele ignoriert und dir vorgenommen, ab sofort jeden Tag nach der Arbeit eine Stunde lang ins Fitnessstudio zu gehen, um dich wohler in deinem Körper zu fühlen. In der ersten Woche funktioniert das noch gut, aber schon in der zweiten musst du nach einem anstrengenden Tag noch länger im Büro bleiben. Du hast noch nichts eingekauft, dein Magen knurrt, deine Periode kündigt sich an und außerdem ist es draußen dunkel und nass. Eigentlich willst du nur aufs Sofa, dich einkuscheln und etwas vom Lieferdienst bestellen. Du weißt aber, dass du noch ins Fitnessstudio musst. Wieviel Freude wird dir die Bewegung machen, die dir eigentlich guttun soll? Wie unwohl wirst du dich fühlen, wenn du dich trotz deiner körperlichen Bedürfnisse zum Training schleppst? Oder wie frustriert wirst du sein, wenn du es nicht tust?
Wie wäre es, wenn du stattdessen ein Ziel formuliert hättest, wie: “Ich mache jede Woche eine Stunde lang Bewegung, die mir Spaß macht.” In diesem Fall könntest du dir deine Sporteinheiten so legen, wie es gerade zu dir passt. Du nimmst den Druck raus, zu einer festen Zeit irgendwo sein zu müssen und musst dich nicht selbst fertig machen, wenn mal ein Termin ausfallen muss – weil es keinen gibt. Klar ist hier das Risiko vielleicht etwas höher, die ganze Sache schleifen zu lassen. Aber das wirst du auch, wenn du irgendwann vor lauter Druck keinen Spaß mehr daran hast. Was dich wirklich dazu bringt, am Ball zu halten, sind keine künstlich erzeugten Termine. Es ist dein Warum.
Dein Ziel ist nicht dein Ziel
Erinnerst du dich noch an die beiden Fragen, die ich dir weiter oben gestellt habe? Die zweite lautete: “Wie glaubst du, wirst du dich fühlen, wenn du dein Ziel erreicht hast?”. Ich sage es so, wie es ist:
Das eigentliche Ziel ist nicht das, was du dir gesetzt hast. Es ist das Gefühl, das dahinter liegt.
Das Gefühl hinter deinem Ziel ist nicht nur der Motor, der dich im Zweifel am Laufen hält, wenn die Rahmenbedingungen nicht optimal sind. Es ist gleichzeitig auch das, was du eigentlich willst. Und das macht es zu einem so viel besseren Ziel. Es ist quasi dein Warum und dein Was gleichzeitig.
Nehmen wir das Beispiel “Abnehmen” – immer noch ein beliebter Neujahrsvorsatz. Mal ganz davon abgesehen, dass er in dieser Formulierung komplett durchs SMART-Raster fällt, ist er eigentlich nur Mittel zum Zweck. Niemand nimmt ab um des Abnehmens Willen, weil das so viel Spaß macht. Abnehmen ist eine Scheißarbeit.
Schauen wir also mal, was eigentlich dahinter steckt. Oft sind das Wünsche wie: “Ich möchte mich wieder wohl in meiner Haut fühlen.”, oder “Ich möchte mich körperlich fitter fühlen, um mit meinen Kindern fangen spielen zu können.” Statt sich also auf eine bestimmte Zahl auf einer Waage zu versteifen, rückt das Gefühl in den Vordergrund. Und das lässt sich so viel angenehmer und mit so viel mehr Spaß erreichen. Die Zahl auf der Waage ist eigentlich gar nicht wichtig und der Weg zur Erreichung des Ziel-Gefühls lässt sich so viel freier gestalten. Und sind wir mal ehrlich: Es mag zwar abgedroschen klingen, aber oft es doch der Weg dorthin, auf den es eigentlich ankommt. Und den gilt es so angenehm wie möglich zu gestalten, damit du ihn genießen kannst.
Zielformulierung und Handlungsplanung – ein paar praktische Tipps
Okay, du hast dein Ziel und dein Gefühl – vielleicht sogar beides in einem. Super! So kannst du jetzt vorgehen, um deine Ziele festzuhalten und mit der Umsetzung loszulegen:
Machbar machen
Formuliere deine Ziele so, dass du auch Einfluss darauf nehmen kannst. “Beliebter bei anderen sein.”, ist kein geeignetes Ziel, weil du nicht beeinflussen kannst, wie andere Menschen dich sehen. So etwas wie “Einen Nachmittag pro Woche dafür nutzen, mich bei meinen Freund*innen zu melden.”, hast du dagegen ganz in der Hand.
Aufschreiben
Verschriftliche deine Ziele, damit du sie immer vor Augen hast. Brich sie auch in kleinere Teilschritte herunter. Wenn das Leben mal wieder etwas turbulenter wird, hast du so direkt machbare Häppchen, auf die du zurückgreifen kannst.
Umschreiben
Hab keine Angst davor, deine Ziele anzupassen oder unterwegs nochmal umzuschmeißen. Du darfst dich ausprobieren und Dinge, die nicht für dich funktionieren, anpassen. Das ist kein Versagen, sondern ein ganz normaler Teil des Prozesses. Verliere dein Ziel nicht aus den Augen, aber hab auf dem Weg dorthin Spaß. Wenn du dich nur durchquälst, ist es an der Zeit, dein Vorgehen oder sogar das angestrebte Ziel anzupassen.
Die Goldene Regel
Nimm dir nicht zu viel vor. Oft ist die Anfangsmotivation zwar groß, aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie dauerhaft anhält, geht gegen Null. Fange also klein an. Nimm dir ein bis zwei Ziele vor und wenn du sie erreicht hast oder du merkst, dass du auf einem guten Weg bist und noch Kapazitäten frei hast, kannst du immer noch ein weiteres hinzunehmen.
Wenig ist so demotivierend, wie ein Ziel wieder aus der Liste zu kicken, weil du merkst, dass du dich übernommen hast. Später etwas hinzuzufügen, weil du gut dabei bist, kann dir dagegen einen richtigen Aufschwung geben.
Sei sanft mit dir: Ziele in schwierigen Zeiten
Es wird immer Tage geben, die sich leichter anfühlen und an denen du mühelos an deinen Zielen arbeiten kannst. Genauso normal sind aber auch die Tage, an denen das Gegenteil der Fall ist. Krankheit, Workload, emotionale Belastungen und andere äußere Einflussfaktoren haben immer einen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen und wieviel Energie wir zur Verfügung haben. Das ist ganz normaler Bestandteil des Lebens. Mache dir an solchen Tagen immer wieder bewusst, dass das kein persönliches Versagen ist. Du bist nicht weniger wert, weil es mal nicht ganz so flutscht.
Überlege dir deshalb ruhig schon bei der Zielsetzung, in welche Mini-Etappen du dein Ziel runterbrechen kannst – für genau solche Tage, an denen deine Energie im Keller ist. Vielleicht ist es so etwas wie “Ich nehme heute die Treppe statt des Aufzuges.” oder “Ich stelle mir eine Flasche auf den Schreibtisch, die ich im Laufe des Arbeitstages austrinke.” Solche Mikro-Ziele, die an guten Tagen wirklich banal wirken, können dich in herausfordernden Phasen aufbauen, weil du dann trotzdem noch etwas geschafft hast.
Und wenn mal wirklich gar nichts geht, dann ist das auch völlig in Ordnung. Mal eine Zeit lang Pause zu machen, kann sogar sehr hilfreich sein, weil du danach wieder mit frischer Energie ans Werk gehen kannst.
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