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Minimalismus ist kein Bauschaum für deine emotionalen Löcher

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Minimalismus verkommt immer mehr zum Selbstwertoptimierungsprojekt. Er kann aber deine emotionalen Löcher genau so wenig stopfen wie übermäßiger Konsum.

Nur weil du plötzlich all deine Besitztümer aus dem Fenster schmeißt, wird das nicht automatisch deine Probleme lösen.

Angestoßen von einem wunderbaren Artikel, den meine liebe Freundin Jenni auf ihrem Blog Mehr als Grünzeug veröffentlicht hat, habe ich mir auch mal wieder ein paar Gedanken zum Minimalismus gemacht.

Im Moment ist er in den sozialen Netzwerken ein heiß diskutiertes Thema. Auslöser dafür ist unter anderem die neue Netflix-Serie mit Marie Kondo, die durch ihr Buch Magic Cleaning* bekannt wurde.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich die Serie nicht gesehen habe und nach dem, was ich bisher darüber gehört und gelesen habe, bin ich mir auch nicht sicher, ob ich dort meine Zeit reininvestieren möchte. Die Essenz der bisherigen Stimmen dazu lässt sich so weit zusammenfassen, dass Minimalismus in „Aufräumen mit Marie Kondo“ als DAS Allheilmittel dargestellt wird – frei nach dem Motto: „Aufgeräumte Bude, glücklicher Ehemann, brave Kinder, erfüllte Ehe- und Hausfrau.“

Ein erfülltes Leben und glückliche Beziehungen an Besitztümer zu knüpfen, finde ich ziemlich harten Toback – egal, ob es darum geht, diese Gegenstände anzuhäufen oder wieder aus unserem Leben zu schmeißen und es wirft einige Fragen auf.


Schlaglöcher stopfen mit Anti-Konsum


Bist du in deiner Beziehung unglücklich, weil ihr euch über die vielen Dinge in eurer Wohnung aufregt?
Oder ist es nicht vielleicht eher so, dass ihr euch ständig über Banalitäten wie „Wer ist dran mit Staubsaugen/Abwaschen/Wäsche machen/Aufräumen/etc.?“ streitet, weil es tieferliegende Schwierigkeiten in eurer Beziehung gibt und ihr deshalb jede noch so kleine Möglichkeit nutzt, um eurem Frust Luft zu machen?

Lange Zeit war es gesellschaftlich anerkannt (und von der Industrie mit offenen Armen begrüßt), seine emotionalen Löcher mit Konsumgütern zu füllen. Die fünf neuen Kleider pro Woche, der dicke Sportwagen und was sonst noch als Statussymbol anerkannt war, wurden gekauft, um die innere Stimme zum Schweigen zu bringen, die nach Erfüllung, echten Beziehungen und Sinn im Leben schreit. Das tut sie übrigens immer noch – egal, wie viel du nach ihr wirfst.

Mittlerweile scheint es jedoch zum Trend zu werden, sie mit Selbstoptimierung stumm machen zu wollen und von allen Methoden, die es da gibt, ist der Minimalismus der Spitzenreiter.
Je weniger Kram du zu Hause rumliegen und -stehen hast, desto besser bist du als Mensch.


Minimalismus ist das neue Statussymbol


Es gibt viele Menschen da draußen, die ihren Besitz minimiert haben, weil es sie einfach befreit, sich nicht mehr so viele Gedanken um so viel Krempel machen zu müssen und für die der Aspekt der Nachhaltigkeit im Vordergrund steht. Denn: Jeder Gegenstand, der produziert wird, verbraucht Ressourcen – mal extrem viel, mal etwas weniger. Je weniger Gegenstände wir im Alltag benötigen, desto mehr können wir dazu beitragen, Ressourcen zu schonen. So weit, so einfach die Rechnung.

Seit Minimalismus langsam aber sicher Mainstream geworden ist, hat sich die Motivation dahinter verlagert. Mit dem Drang zur Selbstoptimierung ist Minimalismus zum Statussymbol geworden. Statt unseren Wert daran zu messen, wie viel wir besitzen, möchten wir nun nur noch das Nötigste haben, um uns als Menschen wertvoll zu fühlen.


Ein paar Takte zu Zugehörigkeit, Anerkennung und Selbstwert


Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wenn wir uns unsere Evolutionsgeschichte anschauen, waren wir schon immer in Gruppen unterwegs. Sie gaben uns die nötige Sicherheit – bei der Gewährleistung der Ernährung und im Falle eines Raubtierangriffs. Wer nicht zu solch einem sozialen Gefüge gehörte, hatte es mitunter so schwer, dass er/sie nicht lange überlebt hat.
Das Bedürfnis nach einem sozialen Umfeld, hat sich bis heute in uns gehalten. Wir sind zwar nicht mehr in Lebensgefahr, wenn wir als Einzelgänger unterwegs sind, möchten aber trotzdem gerne irgendwo dazugehören.

Soweit, so gut. Schwierig wird es jetzt bloß, wenn sich dieses Zugehörigkeitsbedürfnis mit einem mangelnden Selbstwertgefühl verbindet. Dann neigen wir nämlich dazu, beides zu vermischen und unseren Selbstwert durch die Zugehörigkeit zu einem sozialen Gefüge aufpolieren zu wollen. Etwas yogischer ausgedrückt würde ich jetzt sagen: „Wir suchen unseren Selbstwert im Außen.“

Die Crux am Selbstwert ist, dass wir uns dieses Gefühl nur selbst geben können. Wenn du dich selbst scheiße findest, wirst du das immer nach außen projizieren. Das führt dazu, dass dir Menschen oder Selbstoptimierungsprojekte zwar einen kurzzeitigen Selbstwertkick geben, du früher oder später aber wieder in dieses Mangelbewusstsein zurückkehren wirst. Daraus formt sich dann ein Kreislauf, der nur dann durchbrochen werden kann, wenn du mit dir selbst Frieden schließt.


Was hat das Ganze jetzt mit Minimalismus zu tun?


Nichts. Das ist ja der Witz an der ganzen Sache. Minimalismus ist zu einem Selbstwertoptimierungsprojekt geworden, das absolut nichts am Selbstwert der Leute ändern wird. Trotzdem glauben viele, dass sie die Anerkennung, die sie sich wünschen, erhalten werden, wenn sie nur genug Fotos ihrer leergefegten Wohnung auf Instagram posten – als würden sie daraufhin in eine geheime, glückliche Minimalismus-Familie aufgenommen werden, die all ihre Probleme löst und sie so liebt, wie sie sind.

Das funktioniert so nicht, Leute! Trust me. Been there, done that.

Das Einzige, was wirklich hilft, ist, sich hinzusetzen und mit sich selbst auseinanderzusetzen. Endlich mal Ruhe einkehren zu lassen und darauf zu hören, was man eigentlich wirklich braucht. Emotional. Nicht materiell. Das kommt erst viel, viel später.


Fotos: Alex Loup via Unsplash

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