Wenn ich einen Schwank aus meiner veganen Laufbahn erzähle, fallen mir immer zu allererst Anekdoten von meiner Oma ein. So ist es auch dieses Mal.
Mittlerweile hat sie meine Ernährungsweise komplett akzeptiert, überschüttet mich bei meinen Besuchen bei ihr aber regelmäßig mit Schokoladentafeln oder selbstgemachtem veganen Apfelkuchen. Ich finde es total lieb von ihr, vor allem, weil sie sich damit auf für sie bisher unbekanntes Terrain begeben und kürzlich sogar Kokosmilch zum Backen für sich entdeckt hat. Oma kann ihre Liebe wunderbar mit Essen ausdrücken. Ich weiß aber, dass da noch etwas anderes mitschwingt: Besorgnis. Sie glaubt nämlich, dass eine rein pflanzliche Ernährung immer und in jedem Fall gesund ist und man dadurch zwangsläufig abnimmt, wenn man nicht mit entsprechenden Lebensmitteln entgegenwirkt.
Das Thema „Mit einer gesunden Ernährung nimmt man automatisch ab“ sparen wir uns an dieser Stelle fürs nächste Mal auf. Ich kann aber schon mal kurz spoilern: Man kann mit einer gesunden Ernährung, wenn sie gut geplant ist alles: zunehmen, abnehmen und das Gewicht halten. Das Zauberwort lautet hier: Nährstoffverteilung. Aber dazu an anderer Stelle mehr. Also zurück zum Thema:
Das Vorurteil meiner Oma, nämlich, dass man sich als Veganer*in automatisch turbogesund ernährt, begegnet mir extrem häufig. Von allen möglichen Seiten, von allen möglichen Menschen und über alle möglichen Medien. Deswegen möchte ich hier mal kurz was klarstellen:
Vegan ist nicht automatisch gesund
Ich persönlich habe durch die Ernährungsumstellung viele neue Lebensmittelgruppen und Rezepte für mich entdeckt, probiere öfter mal was Neues aus und achte generell mehr darauf, was ich so zu mir nehme. Ich hätte aber auch einen ganz anderen Ansatz wählen und versuchen können, das, was ich bisher alles gegessen habe, 1-zu-1 zu ersetzen. Und hier unterscheidet sich die pflanzliche Ernährung von der vollwertig pflanzlichen Ernährung.
In den Supermärkten und Bioläden tummeln sich mittlerweile zahlreiche Ersatzprodukte – von Joghurt auf Soja- oder Mandelbasis über veganen Fetakäse bis hin zu pflanzlichen Rouladen gibt es alles, was das Herz begehrt. Menschen, die sich schon seit vielen Jahren pflanzlich ernähren, sind regelmäßig erstaunt darüber, was es alles zu kaufen gibt. Zu ihren „Anfangszeiten“ gab es noch nicht mal die heute so selbstverständliche Sojamilch.
Der Teufel steckt in den Ersatzprodukten
Natürlich sind nicht alle diese Produkte per se schlecht und wie bei vielem anderen auch ist es die Masse, die den Unterschied macht. Fakt ist jedoch, dass eine Ernährung, die viele Ersatzprodukte enthält, auch wenn diese pflanzenbasiert sind, weder ausgewogen noch vollwertig ist. Ausschlaggebend ist dabei der Grad der Verarbeitung der Produkte, denn es gilt:
Unverarbeitete Lebensmittel sind (fast) immer gesünder als ihre verarbeitete Alternative.
Und irgendwie ist das auch logisch, wenn man sich vor Augen hält, dass im Laufe des Verarbeitungsprozesses immer mehr Nährstoffe verloren gehen – allen voran Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und Vitamine. Um mal kurz die angehende Ernährungsberaterin raushängen zu lassen: Die Nährstoffdichte nimmt rapide ab. Gleichzeitig steigt die Energiedichte, nicht selten durch den Zusatz von Zucker – in welcher Form auch immer.
Für unsere Mahlzeiten bedeutet das Folgendes:
Unverarbeitete oder selbst zubereitete Lebensmittel, sei es jetzt der selbstgemachte Linseneintopf oder ein Salat, haben unter anderem wegen ihres hohen Anteils an Ballaststoffen ein größeres Volumen als verarbeitete Produkte und füllen den Magen entsprechend schneller. Von Letzterem muss man also mehr essen, um satt zu werden. Dabei nimmt man nicht nur mehr Energie auf, die der Körper gegebenenfalls für später einlagert, sondern auch mehr von all dem anderen Krams (Stichwort Zusatzstoffe), der darin so verarbeitet ist. Sprich: Man kann sich auch vegan extrem ungesund ernähren.
Kein Druck
Sind Ersatz- und Fertigprodukte also per se schlecht?
Wie bei fast allem, geht es auch hier darum, eine Balance zu finden. Ich greife phasenweise auch mal mehr und mal weniger häufig ins Fertigregal, denn manchmal fehlen einfach Zeit, Energie oder schlicht und einfach Lust, sich in die Küche zu stellen. Und dann sind da hin und wieder auch einfach Gelüste, denen ich nachgeben möchte. Wenn ich Lust auf Sojajoghurt oder eine Käsealternative habe, dann will ich mir die nicht selbst verbieten, denn dann geht mir ganz schnell der Spaß an der Sache flöten.
Sicher ist es gesünder, immer alles selber frisch aus biologisch angebauten Zutaten zuzubereiten, aber ganz ehrlich: Wer hat heute noch die Zeit, sich hinzustellen und Joghurt selbst anzurühren? Ich finde, da können wir uns ruhig selbst den Druck etwas rausnehmen. Schließlich ist Essen etwas, das uns Freude bereiten sollte. Wichtig ist, dass auf Phasen des Fertigfutters auch wieder solche folgen, in denen frische Lebensmittel auf dem Plan stehen. Im besten Fall kombinieren wir sie sogar innerhalb einer Mahlzeit miteinander, wenn es denn etwas Verarbeitetes geben soll.
Was auch hilft, ist ein Blick auf die Zutatenlisten der Produkte. Stehen da viele Dinge drauf, die nur so semi-natürlich klingen, findet sich vielleicht noch eine bessere Alternative oder es fällt leichter, ganz darauf zu verzichten.
Halten wir also nochmal kurz fest:
Eine vegane bzw. pflanzliche Ernährung kann gesund sein, muss es aber nicht, denn sie kann auch zahlreiche Ersatzprodukte enthalten. Eine vollwertig pflanzliche Ernährung legt Wert auf den Nährstoffgehalt der Lebensmittel und ist entsprechend gesund. Je nach persönlichen Vorlieben kann es sinn ergeben, beide Ernährungsformen zu kombinieren, um den Spaß an der Sache beizubehalten, auch wenn der Körper mal nach Käse-Ersatz verlangt.
Mehr selber zubereiten
Da selbst kochen immer noch die gesündere Alternative ist, sind hier einige Taktiken, die mir helfen, wenn es darum geht, verarbeitetes Essen zu vermeiden oder auf andere Weise an genügend Nährstoffe zu kommen:
- Mehr kochen/ Vorkochen
Mittlerweile koche ich meistens nur noch Gerichte, die sich gut aufbewahren lassen und auch am nächsten Tag noch super schmecken. Dann bereite ich meistens gleich vier Portionen (für zwei Leute) zu und verputze den Rest am Mittag des folgenden Tages.
Viele Gerichte lassen sich auch einfrieren – selbstgemachte Fertiggerichte, die man einfach nur auftauen und erwärmen muss, besser geht’s doch fast nicht!
Außerdem können auch einzelne Bestandteile der Mahlzeiten auf Vorrat gekocht werden, wie beispielsweise Reis oder Linsen. Am nächsten Tag kommt dann einfach ein bisschen frisches Gemüse in die Pfanne und der Rest ist schon fertig. - Schnelle, einfache Rezepte
Wenn die Kapazitäten zum Vorkochen nicht ausreichen, ist es außerdem hilfreich, eine Handvoll super einfacher, schneller Rezepte zur Hand zu haben, deren Zutaten sowieso immer im Haus sind. In meinem Fall sind das zum Beispiel Dal oder Kartoffelspalten aus dem Ofen mit Hummus. Oft genug scheitere ich nämlich daran, dass mir Zutaten fehlen und dann hab ich manchmal aus Prinzip keine Lust mehr, zu kochen. Sehr erwachsen, ich weiß. Zu meiner Verteidigung: Wenn ich Zeit und Muße habe, entstehen aus solchen Situationen auch oft genug eigene Rezeptideen. - Brot und Fertigprodukte aufwerten
Im Moment steht bei mir, aus irgendeinem Grund auch immer (Vermutlich ist es die Tatsache, dass es wirklich turboschnell geht), mittags oft Brot auf dem Speiseplan. Ich habe vor kurzem einige Aufstriche für mich entdeckt und habe festgestellt, dass mich eine Brotzeit ausreichend satt macht, ohne dass ich danach in ein Fresskoma verfalle.
Da ich meine Brotaufstriche und -beläge (noch) alle fertig kaufe, versuche ich das ein wenig auszugleichen, indem ich beispielsweise Brot aus dem Bioladen besorge, das viele Nüsse, Kerne und Samen enthält. Davon esse ich derzeit sowieso viel zu wenig, obwohl die eine Menge essentielle Fettsäuren enthalten. Hier können also direkt zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden!
Außerdem peppe ich meine Brote gerne mit Microgreens und, je nach Saison, mit Spinat, Portulak, Radieschen, Gurken und anderen frischen Zutaten auf, die man übrigens auch prima nebenher snacken kann. Und natürlich lassen sich auch andere, fertige Gerichte damit aufmotzen: frische Tomaten und Kräuter auf Nudeln mit Fertig-Pesto, ein kleiner gemischter Salat zum Tofusteak, you name it…
Anfangs ist es vielleicht ein bisschen ungewohnt, manchmal sogar ziemlich lästig, aber wenn man sich nach und nach angewöhnt, ein bisschen auf die Nährstoffe zu achten, die man über den Tag so zu sich nimmt, fällt es immer leichter und irgendwann muss man gar nicht mehr darüber nachdenken. Was sind deine Tipps, um mehr unverarbeitete oder selbst zubereitete Lebensmittel in deinen Alltag zu integrieren und auf welche Ersatzprodukte kannst oder möchtest du nicht verzichten?